Nach 2.000 Kilometern Fahrstrecke und sieben Tagen Fahrzeit entlang der Balkanroute erreichen wir die griechische Grenze. Wir überqueren die Grenze nach Griechenland von Albanien auf einer wohl eher ungewöhnlichen Route und werden sogleich mit einem wahren Naturparadies belohnt - dem Prespa-See. Hier zeigt sich Griechenland von seiner wilden, einsamen Seite – wir bestaunen vorbeifliegende Pelikane an verlassenen, schneeweißen Kieselsteinstränden und genießen die unendliche Ruhe des Sees. Nur alle paar Stunden kommt ein Fischer in seinem kleinen Boot vorbei und winkt uns freundlich aus der Ferne zu. Abends liegen wir im Zelt und fürchten uns vor den Braunbären, die hier wieder durch die Wälder streifen, dank der Wiederansiedlung durch den Menschen. Der Prespa-See ist ein Ort von grenzenloser Stille, von dem man nicht glaubt, dass er existiert, mitten in Europa.
Am nächsten Tag fahren wir in die West-Makkedonische Talebene bei Florinas. Wir sind mit dem Teebauern Alexiadis verabredet, der hier seit 8 Jahren griechischen Bergtee an den Hängen des Berges Korona anbaut. Die Familie empfängt uns wohlwollend. Gäste aus Deutschland kommen hier so gut wie nie vorbei – der Handel läuft über griechische Zwischenhändler, die den Produzenten die Ware in großen Mengen abkaufen. Alexiadis zeigt uns seine gepflegten Felder und die kleinen Lagerhallen, in denen 10 Tonnen griechischer Bergtee lagern. Die Jahresproduktion von Alexiadis, die seine Familie ein Jahr lang ernähren wird. Beim gemeinsamen Abendessen lernen wir mehr über die Bergtee-Pflanzen, Ihre Unterarten und den Bio-Anbau. Es gibt drei signifikante Unterarten, die von verschiedenen griechischen Bergregionen stammen:
Man kann die Pflanzen dort auch heute noch wildwachsend finden. Wilder Bergtee wird gerne als besondere Rarität verkauft – allerdings ist das Pflücken heute in Griechenland verboten und das zu Recht nach dem die Pflanzen fast ausgestorben waren. Dank des Verbots konnte sich die der Bestand wieder einigermaßen erholen und man findet sie noch, an verborgenen Plätzen in den hohen griechischen Bergen.
Am nächsten Tag sind wir mit Christos verabredet, ein pfiffiger, liebenswürdiger Kerl. Christos hat noch vor fünf Jahren als Manager in einer griechischen Bank gearbeitet. Bis die Finanzkrise kam und Christos andere Wege einschlug. Er kehrte zurück in das Dorf seiner Kindheit und kaufte verwildertes Land in den Bergen von Kamvounia, baute Zäune um die Felder, jätete Unkraut bis zum Umfallen und baute zwei Trocknungshallen. Christos setzt auf Qualität – die Scardica-Pflanzen gedeihen hervorragend in den Kamvounia-Bergen. 100% Bio-Qualität versichert uns Christos – er verwendet keine künstlichen Düngemittel und keine Pestizide. Aber das wichtigste, so Christos, er verzichtet komplett auf künstliche Bewässerung, denn erst im trockenen, regenlosen griechischen Sommer gedeiht das komplexe Aroma der Sideritis-Pflanze in Gänze.
Christos zeigt uns die Tische an denen die Pflanzen per Hand aussortiert, geschnitten und verpackt werden: „Das hier ist mein neues Büro“, sagt Christos scherzhaft. Er zeigt uns seine Lagerhallen mit dem getrockneten, säuberlich verpacktem Bergtee. Es ist dunkel, denn Bergtee mag kein Licht, sonst geht es mit dem Aroma bergab und die grünen Rispen verfärben sich gelblich. „Schau her, ich bin reich! Reich an Kräutern!“, sagt Christos mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Christos tut alles dafür, um am Markt Fuß zu fassen: Laboranalysen bestätigen die einwandfreie Bio-Qualität. Sogar den Gehalt an ätherischen Ölen hat er für seine Bergtees analysieren lassen und tatsächlich, der Gehalt ist außerordentlich hoch. Beim Great Taste Award hat er 2018 einen Stern für seine hervorragende Qualität gewonnen. Ein wenig wehmütig, dass es nur einer war, denn die Jury hatte ihre Aufmerksamkeit mehr den weltbekannten, asiatischen Tees geschenkt.
Mit mehreren Tüten Bergtee und Oregano verabschieden wir uns von Christos und fahren weiter in das kleine Bergdorf Metamorfosi, wo wir uns mit Panos' Vater treffen. Panos ist, genauso wie sein Vater, hier geboren und aufgewachsen und arbeitet heute als Lehrer in einer nahe gelegenen Schule. Ruhig ist es im Dorf. Die Häuser sind gepflegt und die Gärten voll mit Wein, Tomaten- und Gurkenpflanzen. Ab und zu ein prächtiger Feigenbaum. Und in der Mitte des Dorfes verbreitet die orthodoxe Kirche aus dem 18. Jahrhundert ein wenig mittelalterliches Flair. Viele junge Menschen verlassen das Dorf und suchen Arbeit in den großen Städten Athen und Thessaloniki oder gehen gar ins Ausland.
Hinter dem Dorf beginnt wildes Bergland – mit dem Geländewagen fahren wir in Schrittgeschwindigkeit auf steinigen Wegen auf ca. 1.000 Meter Meereshöhe. Auf einer kleinen Hochebene liegen drei Felder, vielleicht so groß wie die Fläche eines Schwimmbades. Die Rote Erde auf den Feldern leuchtet kräftig in der brennenden Mittagssonne, eingerahmt von beeindruckender Berglandschaft. Die Erde wird auch Terra Rossa genannt und ist besonders wertvoll für den Anbau eines hervorragenden Sideritis-Bergtees. Panos' Tante begleitet uns, Sie hat viele Jahre in Deutschland gearbeitet und ist nun mit Ihrem Mann zurückgekehrt, um Ihre letzten Lebensjahre hier in Ihrem geliebten Heimatdorf zu verbringen. „Siehst du“, sagt Sie, „diese Felder haben noch vor 50 Jahren das ganze Dorf ernährt. Wir haben hier alles angebaut, was wir zum Leben brauchten“. Dann kamen andere Zeiten und die Felder lagen jahrzehntelang brach und verwilderten.
Schließlich wagte vor nur zwei Jahren Panos mit seiner Frau Vagia einen mutigen Schritt und begann die Felder zu säubern und pflanzte in seiner Feierabendzeit zusammen mit Vagia in harter Arbeit die Bergtee-Pflanzen an. Jetzt, im zweiten Jahr, hat er bereits eine beachtliche Ernte – doch Tonnen geben die kleinen Felder freilich nicht her. Es sind kleine Mengen von 100 bis 200 Kilo Bergtee jährlich, den Panos in außergewöhnlicher Qualität mit viel Liebe zum Detail produziert. Die Pflanzen sehen sehr gesund und kräftig aus. Auch Panos verzichtet auf die Bewässerung und jede Form von Chemie. Der Bio-Anbau von Lavendel, so Panos, ist leicht, Oregano schon schwieriger, der Bergtee aber sei die Königsdisziplin.
Für die Ernte stehen nur wenige Tage im Mai und Juni zur Verfügung – beim richtigen Erntezeitpunkt müssen die Blüten bereits vereinzelt sichtbar sein, sie dürfen aber noch nicht die ganze Rispe verzieren, sonst verliert der Bergtee nach der Ernte schnell seine frische, grüne Farbe und wird gelb. Schließlich dürfen wir noch die griechische Gastfreundschaft in vollen Zügen genießen, lauschen noch zu allerlei Dorfgeschichten und verabschieden uns mit mehreren Kilo Bergtee und zwei Flaschen selbstgebranntem Schnaps.
Wir nehmen den Weg durch die Berge und fahren auf steinigen Straßen im Vierradantrieb die Bergtäler hinauf. Vorbei an Ziegenherden, verfallenen Steinhütten und kleinen, gepflegten orthodoxen Kirchlein finden wir schließlich einen schönen Schlafplatz mit Sicht über die Berglandschaft bis zum Olymp. Und fragen uns, wo wohl der Bär steckt, der einmal Panos' Bergtee-Feld verwüstet hat.
Erfahren Sie mehr über unsere neuen Sideritis Bergtee-Produzenten und lesen Sie das Interview mit Panos und Vagia.
Wir wünschen genussvolles Teetrinken!
Christian Beck