In chinesischen Tee-Zeremonien wird bei der Zubereitung von Pu-Erh Tee und Oolong-Tee tatsächlich auch heute noch der erste Aufguss weggeschüttet. Die trockenen Teeblätter werden übergossen und nach ein paar Sekunden wird der erste Aufguss entsorgt.
Zum einen ist es eine Tradition (der erste Schluck für Muttererde), zum anderen kann man die Pu-Erh und Oolong Teeblätter aufwecken und dann mit einem ersten, kraftvollen Aufguss starten.
Wenn man es nicht tut, wird man geschmacklich jedoch keinen großen Unterschied feststellen.
Sicherlich gibt es auch einen gewissen Reinigungseffekt, den man bei hoher Teequalität heute nicht mehr braucht, da hochwertiger Tee in der Regel pfleglich hergestellt wurde.
Ein weiterer Aspekt, ist die Wirkung des Koffeins bzw. Theobromins. Beide Stoffe sind bekanntlich anregend und lösen sich vor allem zu Beginn des Aufgusses im heißen Wasser. Wenn man die anregende Wirkung reduzieren möchte, könnte man also dazu den ersten Aufguss wegschütten.
Ratsam ist das Wegschütten überhaupt nur bei Pu-Erh Tee und eventuell noch bei Oolong-Tee. Diese Tees brauchen ohnehin etwas Zeit, um sich geschmacklich zu entfalten. Damit verschenkt man mit dem Wegschütten keine allzu wertvollen Aromen und man kann den traditionellen Reinigungseffekt nutzen. Gerade bei älteren Pu-Erh Tees, die mehrere Jahre gelagert wurden, gibt es mir persönlich ein gutes Gefühl diese Reinigung durchzuführen.
Grundsätzlich macht das Wegschütten eigentlich nur Sinn, wenn man mit einer Yixing Teekanne nach der Gong-Fu Methode arbeitet. Mit einer klassischen deutschen Hausmannskanne käme es mir nicht in den Sinn.
Auf keinen Fall sollte man den ersten Aufguss bei grünem und weißem Tee wegschütten. Diese Teesorten leben von den feinen Aromen, die sich unmittelbare nach dem Aufguss entfalten. Ein Aufwecken der Teeblätter ist nicht notwendig - im Gegenteil man würde nur wertvolle Aromen verschenken.
Wir wünschen genussvolles Teetrinken!
Christian Beck