Hier in China ist alles so anders im Vergleich zu Europa. Das Erste, was ich nach meiner Ankunft am Flughafen Wuhan, eine Stadt im östlichen Teil Chinas, bemerkte war kein chinesischer Tee, sondern der Lärm. Aus allen Ecken ertönt irgendein Geräusch: Menschen, öffentliche Verkehrsmittel, Tiere, Elektroleitungen, sogar Gebäude und Monumente scheinen Lärm zu erzeugen. Aber diese Geräusche sind nicht mit dem typischen Lärm aus europäischen Großstädten zu vergleichen, wo alles und jeder seinem Geschäftstreiben nachgeht. Dieses Lärm entstammt der Kommunikation: Zwischenmenschliche Interaktionen im Autogemenge, im Austausch von Neuigkeiten in einem der zahlreichen Teehäuser oder einfach nur auf den Straßen machen diese Stadt sehr lebhaft und voll von Emotionen.
Jeder hier unterhält sich miteinander - bis auf den General Manager (Zong im Chinesischen) und mich, denn ich spreche kein Chinesisch und er kein Englisch. Zong betreibt eine organische Teefarm, auf der grüner Tee (Mao Jian), weißer Tee (Silver Needles) und schwarzer Tee angebaut wird. Ich bin hier, um das Qualitätsmanagement der Bio Teefarm zu verbessern. Zong holte mich vom Flughafen ab und brachte mich zu einem naheliegenden Hotel, in dem ich einige Tage vor meinem offiziellen Arbeitsbeginn übernachten werde.
Meine Pläne für diese Tage waren eigentlich klar: Mich in die Arbeitsunterlagen einzuarbeiten und meine Forschungsarbeit zu beginnen. Daraus wurde nur überhaupt nichts, denn sofort nach meiner Ankunft wurde ich zum Essen und in diverse Teehäuser auf eine Tasse grünen Tee eingeladen, Geschäftspartnern und Freunden vorgestellt und durch die Stadt und deren Umgebung geführt. Und all das ohne sich auch nur im Geringsten sprachlich verständigen zu können! Das nennt man dann wohl chinesische Gastfreundschaft.
Teeanbau ist etwas, worauf man stolz sein kann. Vor allem, wenn man den grünen Tee biologisch anbaut. Dies war der erste und zugleich bedeutendste meiner Eindrücke hier in China.
Eine der schillerndsten Persönlichkeiten in dieser Branche ist Sugar Daddy, der Chef eines kleinen Teehauses in Wuhan City. Er bietet verschiedene Sorten grünen Tee an und besitzt eine kleine Bibliothek über die Geschichte der Tea Cooperation in China. Sugar Daddy gibt gern jedem ein paar Details aus seinem umfangreichen Wissen über den Teeanbauprozess preis. Gerne hält er für Teekenner einen kleinen Vortrag zum Thema "Grüner Tee - Wirkstoffe, Wirkung auf unsere Gesundheit und Zubereitung".
Chinesen trinken gern qualitativ hochwertigen grünen Tee. Sie lieben den Geschmack, den Geruch und die Atmosphäre, die mit der Zubereitung entsteht. Und natürlich lieben sie ihre Teebauern. Diejenigen, die den grünen Tee auf biologische Weise anbauen, genießen einen besonderen Respekt, denn auf diese Art und Weise kümmern sie sich um ihre Mitmenschen und um ihr Heimatland (dies ist eine sehr wichtige Charaktereigenschaft eines Mitglieds der chinesischen Kultur). Erstens wird durch die Anwendung ausschließlich natürlicher und mechanischer Methoden ein Tee hergestellt, der keine Schadstoffe enthält und demnach gesund ist. Und zweitens wird die Umwelt geschont. Dies ist vermutlich der Grund, aus dem Zong jeden verbessert, der „Xianshan“ - Teeproduzent sagt, denn für ihn heißt es schlicht: „Bio-Teeproduzent“.
Endlich darf ich anfangen, für Teekenner zu arbeiten. Mein erstes Ziel: ein Bioteegeschäft in einer kleinen Stadt in der Provinz Hubei. Da grüner Tee in diesem Geschäft nicht nur verkauft, sondern auch präsentiert, zubereitet und verkostet wird, müssen die Geschäftsräume ansprechend aussehen und kundenfreundlich sein. An der linken Wand sowie an den vorderen Wänden sind dunkle Holzregale angebracht, auf denen zahlreiche Sorten von Grüntee stehen, von denen ich noch nie gehört habe, so wie Tian Mu Qing Ding. Alle Teesorten werden in China als loser Tee angeboten. An der rechten Wand kann man eine Sammlung Teekessel bewundern. In der Mitte des Raumes stehen ein flacher Holztisch und dunkle Ledersessel, wo die Kunden sitzen und grünen Tee probieren können. Er wird in kleinen Tassen oder Gläsern serviert, so dass sie den Tee riechen, schmecken und betrachten können.
Wenn Chinesen mit Freunden oder mit der Familie grünen Tee trinken, benutzen sie ebenfalls kleine Tassen, und das hat außer den genannten Gründen noch zwei weitere: man genießt den Tee mehr, wenn man ihn langsam trinkt und außerdem macht es Spaß, den anderen gelegentlich nachzuschenken.
Mit den erforderlichen Unterlagen, die ich im Geschäft erhalten habe, brechen wir auf in Richtung Mutbo, einem kleinen Dorf inmitten einer wunderschönen gebirgigen Landschaft. In Mutbo befinden sich die Bio-Teeplantage und die Verarbeitungsstätte, die ich besichtigen möchte. Dort werde ich in den kommenden drei Wochen für Teekenner arbeiten, wohnen und mich ausgiebig mit dem grünen Tee beschäftigen. Je weiter wir uns unserem Ziel nähern, desto schöner wird es um uns herum. Hohe Berge mit steilen, waldbewachsenen Hängen und kleine Ackerflächen mit grauer und rötlicher Erde wechseln sich ab. Die Seen am Fuße der Berge spiegeln den blauen Himmel und die weißen Wolken wider, so dass man sich nicht sicher ist, wo oben und wo unten ist.
Ich kann es kaum erwarten, die Teeplantage zu sehen und mehr über grünen Tee zu erfahren. In dieser Umgebung muss die Plantage einfach traumhaft sein. Wir fahren eine weitere halbe Stunde in Serpentinen bergauf und über den Gipfel hinweg, dann steigen wir aus. Nach weiteren zehn Minuten Fußmarsch bergab durch den Wald stehe ich bei den Betriebsgebäuden der Plantage. Sie bestehen aus drei Häusern, in denen die Teepflücker und andere Arbeiter sich ausruhen und essen können. Man begegnet mir mit Neugier und Gastfreundschaft. “Hi! Ich bin hier, um die Anlage zu fotografieren”, erkläre ich. Ein paar jüngere Mädchen gehen daraufhin sofort in Deckung...
Nachdem ich kurz von meinem Beruf und Vorhaben erzählt habe, entspannen sich alle ein wenig, und ich darf ein paar Fotos machen und sogar Filme drehen. Mein Wortschatz reicht nicht aus, um diese Menschen zu beschreiben. “Erwachsene, die Kind geblieben sind”, trifft es vermutlich am ehesten.
Im nächsten Blog geht die Teereise weiter...